Krampfadern & Besenreiser – wann sie gefährlich werden

Für viele Menschen sind sie nur ein kosmetisches Problem. Dabei können Besenreiser und Krampfader auch zu ernsten medizinischen Komplikationen führen. Unsere Spezialistin Katrin Weinrich kennt sich mit dem Thema aus. Sie ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Angiologie und in der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung. Das Interview.

 

Krampfadern oder Besenreiser – wo liegt der Unterschied?

Grundsätzlich besteht pathologisch kein Unterschied. Allerdings wird der Begriff "Krampfadern" im medizinischen Alltag meist nur für die krankhaft veränderten großen Stammvenen verwendet. Die Besenreiser sind allerdings auch Krampfadern, jedoch sind dies sehr kleine Venen in der Haut/Unterhaut. Sind lediglich diese betroffen, besteht kein medizinischer Handlungsbedarf, weil sie lediglich ein kosmetisches Problem darstellen. Wenn zunehmend Besenreiser auftreten, sollte jedoch eine Untersuchung der Stammvenen erfolgen, damit eine eventuell hier vorliegende krankhafte Veränderung nicht übersehen wird.

 

Was sind die Ursachen für die Gewebeschwäche?

Es liegt eine Funktionsschwäche der Venenklappen vor. Die Venenklappen finden sich an den Beinvenen, sie haben eine Art Ventilfunktion und ermöglichen so den Rücktransport des verbrauchten Blutes aus den Beinen gegen die Schwerkraft zurück zum Herzen. Ohne diese Ventile wäre das physikalisch nicht möglich. Manche Menschen neigen zu einer Bindegewebsschwäche und darunter leiden auch die Venenklappen. Dadurch geht die Ventilfunktion verloren und das Blut fließt immer in die falsche Richtung, also nicht nach oben zum Herzen, sondern nach unten Richtung Füße. Das überlastet die Venen, so dass sie sich zu großen Krampfadern umbilden.

 

Warum heißen die Krampfadern so?

Im Altdeutschen hießen sie Krumpadern, was so viel wie krumme Venen heißt. Das trifft es auch viel besser. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich der Begriff in die irrführende Richtung verändert und jetzt werden sie Krampfadern genannt. Häufig werden daher auch auftretende Krämpfe in den Beinen damit in Zusammenhang gebracht. Das ist aber kein typisches Symptom, das auf Krampfadern zurückzuführen ist.

 

Sind Krampfadern ein Altersleiden oder sind auch Jüngere betroffen?

Beides. Es gibt sie im Alter, aber wenn die Neigung zur Bindegewebsschwäche in der Familie vorliegt, können Krampfadern auch bereits bei jüngeren Menschen auftreten.

 

Kann man vorbeugen?

Nein, den Krampfadern selbst kann man nicht vorbeugen, man kann allerdings durch ausreichend sportliche Betätigung eine Beschwerdelinderung erzielen. Ratsam sind Ausdauersportarten wie Walken, Joggen oder vor allem Schwimmen.

 

Wann soll man zum Arzt gehen?

Wenn Beschwerden auftreten, sollte der Hausarzt eine Venenuntersuchung durch einen Gefäßspezialisten für den Patienten organisieren. Typische Beschwerden sind über den Tag zunehmende Schwellungen der Knöchelregion, ein Schweregefühl der Beine, vor allem beim längeren Sitzen oder Stehen oder natürlich auch sichtbare Krampfadern. Auch wenn lediglich zunehmend Besenreiser auftreten, sollte sicherheitshalber eine Diagnostik erfolgen. 

 

Gibt es schwere gesundheitliche Risiken, wenn man Krampfadern nicht behandelt?

In den „Krampfadern“ fließt das Blut nicht richtig und neigt dazu, Gerinnsel zu bilden. Wenn ein Gerinnsel entsteht, sprechen wir von einer Venenentzündung. Diese kann sehr schmerzhaft sein. Viel gefährlicher ist es, wenn sich dieses Gerinnsel in die tiefen Venen fortsetzt, dann liegt eine Thrombose vor. Wir wissen seit langem, dass ein ausgedehnte Varicosis ein Risikofaktor für das Auftreten von Thrombosen darstellt. Von einer Thrombose, also dem in der Vene befindlichen Gerinnsel, können sich auch Anteile ablösen und in die Lungenarterien wandern und somit eine Lungenembolie verursachen. Dies ist tatsächlich eine sehr gefährliche Folge, auch wenn dies nicht sehr häufig auftritt.

 

Was passiert, wenn Krampfadern überhaupt nicht behandelt werden?

Dann kann es zu lokalen Folgen an den Beinen kommen. Zum einen wird durch den Blutstrom in die falsche Richtung die Knöchelregion stark druckbelastet. Wenn dies über Jahre oder Jahrzehnte der Fall ist, kann es zu einer Überlastung der Haut in der Knöchelgegend kommen, es lagern sich zudem alte Blutbestandteile in der Haut ein, sie verfärbt sich dunkel, wird dünner und kann letztlich aufgehen, es entsteht ein Hautgeschwür, welches von selbst nicht mehr abheilt.

 

Können Krampfadern auch zu bluten anfangen?

Das tritt gar nicht so selten auf. Durch die sehr dünnen kranke Venenwand, die dicht unter der Haut liegt, kann es durch Verletzungen, die der Patient mitunter überhaupt nicht wahrnimmt, zu Blutungen kommen. Für Betroffene ist das sehr belastend und beängstigend, weil eine venöse Blutung sehr stark sein kann.

 

Muss man immer operieren - welche alternativen Verfahren gibt es?

Nein. Eigentlich könnte man sagen, dass es gar kein „Muss“ für eine OP der Krampfadern gibt. Aber es gibt ein „Muss“ für eine Behandlung. Die Standardtherapie wird mit Kompressionsstrümpfen durchgeführt. Sie müssen beim Patienten maßgerecht sitzen. Nicht nur die Größe muss passen, auch die Höhe (nur am Unterschenkel oder doch am gesamten Bein) und vor allem die Kompressionsstärke sind wichtig. Welcher Strumpf nötig ist, entscheidet der Gefäßspezialist individuell bei jedem Patienten.

 

Und sollte diese Therapie keinen Erfolg haben?

Wenn es unter einer regelmäßigen Kompressionsbehandlung zu fortschreitenden Beschwerden kommt oder ausgedehnte Krampfadern vorliegen, dann sollte eine OP oder ein alternatives Verfahren wie eine Laser - oder Radiofrequenztherapie mittels Katheter über die Vene in Erwägung gezogen und mit dem Patienten besprochen werden. Welches Verfahren sinnvoll ist, hängt von der Art der Krampfadern und deren Verlauf am Bein ab.

 

Kann man Krampfadern auch veröden?

Ja, hier wird eine aufgeschäumte Flüssigkeit in die Vene(n) gespritzt. Dies gilt vor allem für Besenreiser, aber auch größere Krampfadern können so behandelt werden. Allerdings wird dies nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

 

Ist das Leiden nach einer OP behoben, oder kommen Krampfadern und Besenreiser wieder?

Durch die OP hat man meistens die große Stammvene, die zur Krampfader wurde, entfernt. Damit ist das Bein entlastet und erholt sich in der Regel sehr gut. Dem Patienten geht es dadurch besser. Eine Kompressionstherapie ist nicht mehr nötig und sollte auch nicht mehr dauerhaft erfolgen. Allerdings ist die Neigung zu Krampfadern aufgrund der zugrundeliegenden Bindegewebsschwäche weiterhin gegeben. Es können also im Verlauf der Jahre wieder neue Krampfadern auftreten. Deshalb sind regelmäßige Kontrollen, ein - bis zweimal im Jahr bei einem Gefäßspezialisten, ratsam. Dann kann man frühzeitig feststellen, wenn sich neue Krampfadern bilden. In der Regel sind diese dann aber bei weitem nicht so ausgeprägt.